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Volatilität und hohe Unsicherheit: Ist ein unsicheres Umfeld gut für Vola-Fonds?

Die Unsicherheit und die Drawdowns sind derzeit hoch. Ist dieses Umfeld trotzdem ein gutes für Vola-Fonds? Vier Vola-Anbieter und ein Fonds-Selektor diskutieren über das aktuelle Umfeld für Vola-Fonds, wie die Tail-Risiken abgesichert werden und warum vor allem bei Vola-Fonds genau unter die Motorhaube geschaut werden muss.

Autor
Tim Habicht

Tim Habicht: Die Märkte sind volatil, die Unsicherheiten sind groß. Ist genau dieses unsichere Umfeld ein gutes für Volatilitäts-Fonds?

Tom Pansegrau: Ja, das sehe ich so. Wir haben natürlich eine gewisse Unsicherheit und auch diverse Krisen. Allerdings sehen wir derzeit noch keine Panik im Markt. Das Vola-Umfeld ist insofern gut und dieses können wir nutzen. Gerade im Zins-Bereich sehen wir einen sehr attraktiven Volatilitäts-Markt und attraktive Prämien, die wir dort vereinnahmen können.

Frank Neidig: Für mich ist das Vola-Thema immer eines, das sich auf die Volatilitäts-Prämie im Aktienbereich fokussiert. Sie fahren hingegen einen Multi-Asset-Ansatz und vereinnahmen auch Vola-Prämien im Anleihebereich. Ist die Prämie dort ebenso attraktiv?

Pansegrau: Ja, auf jeden Fall. Die Volatilitätsrisikoprämie ist auch im Fixed Income Segment strukturell vorhanden. Weil die Vola insgesamt vom Level her bei Anleihen niedriger ist, müssen wir hier einen Hebel ansetzen. Die Prämie bei Zinsen ist nicht so reich, wie im Aktienbereich. Aber im Hinblick auf die risikoadjustierte Performance gleichen sich beide Vola-Prämien durchaus an. In unseren Strategien setzen wir auf einen selektiven, risikobewussten Hebeleinsatz – mit dem Ziel, eine effiziente Diversifikation in Multi-Asset-Portfolios zu realisieren.

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Die Teilnehmer:
  • Tom Pansegrau, 7orca Asset Management
  • Lutz Klaus, Tungsten Investment Funds
  • Sven Wünschmann, Warburg Invest
  • Markus Buchmann, LeanVal Asset Management
  • Frank Neidig, Lampe Asset Management
  • Tim Habicht, Fundview

Neidig: Aber warum macht das dann niemand im deutschen Markt?

Pansegrau: Der Aktienmarkt ist auf jeden Fall liquider und das Angebot ist im Zinsbereich nicht so breit. Aber unserer Meinung nach ist die Vola-Prämie im Anleihebereich dennoch sehr attraktiv und eine gute Ergänzung gegenüber den anderen Bausteinen, die wir im Portfolio haben – nämlich die Aktien- und Währungs-Prämie. Allerdings war das Jahr 2022 im Zinsbereich für uns zweifellos herausfordernd. Durch dieses schwierige Jahr blicken wir aber positiv nach vorne, weil die Volatilität im Zinsbereich durch die Zins-Anhebungen stark angestiegen ist und im Vergleich zur Aktien-Vola nicht wieder schnell abebbt, sondern sich langsam verringert; und davon können wir in unserem Portfolio profitieren.

Habicht: Bei euch wurde unlängst auch ein neuer Vola-Fonds gestartet. Ihr seht also auch positive Zeiten für Vola-Strategien?

Lutz Klaus: Wir sehen tatsächlich immer ein gutes Umfeld für Vola-Fonds als Baustein für ein breit diversifiziertes Portfolio. Wenn ich jetzt allerdings Fonds-Selektor wäre, dann mag es momentan sogar so sein, dass die Vola-Prämie im Vergleich zu angespannten Aktienmärkten und engen Spreads im Anleihebereich attraktiver ist.

Markus Buchmann: Für nahezu jede Marktphase lässt sich eine passende Volatilitätsstrategie finden. Der breite Derivate-Baukasten ermöglicht es uns, Strategien passgenau auf unsere Ziele zuzuschneiden. Vola-Strategien sind hervorragende Diversifikatoren, weil sie eine ganz andere Ebene der Diversifikation ins Portfolio bringen – weitestgehend unabhängig von der Marktrichtung. Entscheidend sind die Schwankungen selbst. Ihre Stärke liegt in der Flexibilität jenseits klassischer Delta-1-Produkte. Gleichzeitig gilt aber auch: Sie sind kein Allheilmittel. Die nicht-linearen Eigenschaften machen sie wirkungsvoll, aber eben auch komplex.

Tom Pansegrau von 7orca Asset Management: „Die Vola-Prämie im Anleihebereich ist eine gute Ergänzung“
Tom Pansegrau von 7orca Asset Management: „Die Vola-Prämie im Anleihebereich ist eine gute Ergänzung“

Sven Wünschmann: Wir sehen Vola ganz klar als Portfolio-Diversifikator, der eine zusätzliche Renditequelle erschließen soll. Durch Vola-Strategien lassen sich Multi-Asset-Portfolios deutlich effizienter aufstellen. Die Vola-Prämie ist robust und hilft jedem Portfolio weiter. Daten für den S&P 500 in den USA und für den EURO STOXX 50 in Europa zeigen, dass seit mehreren Jahrzehnten rund 84 Prozent der Tage die implizite Volatilität höher ist als die realisierte Volatilität; und die Vola-Prämie insofern positiv ist. Deswegen sollte die Vola-Prämie auch sehr systematisch vereinnahmt und nicht getimed werden.

Klaus: Ja, die Vola-Prämie ist vorhanden, sehr stabil über Jahrzehnte und lässt sich systematisch vereinnahmen. Aber: Die Volatilität ist ein Biest! Denn die Volatilität ist auf dem Papier immer sehr stabil. Aber in dem Moment, in dem der Handelsschirm gestartet wird, merken Investoren häufig: Die Strategien, die auf dem Papier funktionieren, funktionieren nicht immer auch in der Praxis. Es gibt viele Stolpersteine, wenn man die Vola-Prämie vereinnahmen möchte. Denn das typische Profil ist die Rolltreppe nach oben und der Fahrstuhl nach unten – oder wie im Jahr 2020 auch mal direkt aus dem Fenster raus. Dieses Profil ist nicht wünschenswert. Da hilft es auch nichts, wenn die Strategie 90 Prozent der Tage nicht korreliert ist und an zehn Prozent der Tage dem Investor um die Ohren fliegt. Im Drawdown ist die Volatilität ein Biest.

Habicht: Die Absicherung bei Vola-Strategien und das Managen von Tail-Risiken sind bei Vola-Strategien ein ganz wichtiger Aspekt. Ist es deswegen umso problematischer, dass beispielsweise im Jahr 2020 bei einigen Anbietern diese Absicherung nicht funktioniert hat und sie aus dem Markt gespült wurden?

Klaus: Das Problem ist die Korrelation… Es gibt und gab viele Anbieter, die immer wieder sagen, dass ihre Vola-Strategie unkorreliert zu den traditionellen Assetklassen ist. Das mag in 99 Prozent der Fälle stimmen. Aber Investoren können nicht immer genau sehen, was die jeweiligen Manager in ihren Portfolios anstellen. Lange Zeit funktioniert das. Aber irgendwann kommt die bedingte Korrelation zum Vorschein. Und dann wird es problematisch…

Pansegrau: Ich sehe das ähnlich. Die Vola-Prämie ist persistent, aber das Argument, dass die Vola-Prämie ein Portfolio diversifiziert, ist mir etwas zu kurz gedacht. Denn auf der Risiko-Seite ist Short-Vola überhaupt kein guter Diversifikator, sogar teilweise eher ein Risiko-Verstärker. Denn wenn die Unsicherheit beziehungsweise der Crash kommt, dann verliert auch die Vola-Strategie. Aber über einen langen Zeitraum im Hinblick auf das Chance-Risiko-Verhältnis sieht das natürlich anders aus. Viele Investoren interessiert diese Langfristigkeit aber nicht, wenn man kurzfristig – wie im Jahr 2020 – komplett im Drawdown dabei ist. Hier müssen wir als Anbieter aufpassen, wie wir Vola-Strategien vermarkten – und zwar nicht als Risiko-Diversifikator, sondern als offensive Strategie, die eine Prämie generiert. Aber: Vola-Strategien sind ein Rendite-Diversifizierer.

Lutz Klaus von Tungsten: „Das funktioniert aber bei Vola-Strategien leider nicht...“
Lutz Klaus von Tungsten: „Das funktioniert aber bei Vola-Strategien leider nicht...“

Buchmann: Natürlich müssen Strategien richtig eingesetzt werden – ganz gleich, ob es sich um Long- oder Short-Vola-Strategien handelt. Aber das gilt ebenso für klassische Anlageklassen wie Aktien oder Anleihen: Auch sie entfalten ihre Wirkung nur im passenden Kontext und Marktumfeld. Entscheidend ist, dass die Strategie zur übergeordneten Allokation passt. Wichtig ist, dass Anleger verstehen und wissen, wie und wann welche Strategien wirken. Hier müssen wir Fondsmanager sehr offen und transparent kommunizieren, was die einzelnen Strategien leisten und nicht leisten können. Besonders wichtig ist für mich die Resilienz: Eine gute Strategie muss in der Lage sein, selbst in extremen Marktphasen zu bestehen – und darf nicht aus dem Markt gespült werden.

Neidig: Für die meisten Investoren ist es bei Volatilitätsfonds schwer nachvollziehbar, wo genau die Risiken der jeweiligen Strategie liegen. Da es zudem viele unterschiedliche Ansätze im Bereich Vola-Strategien gibt, wird die Auswahl umso komplexer – es existiert nicht die eine Strategie, die ein sauberes Vola-Beta abbildet. Im Zweifel investieren Anleger in ein Produkt, das scheinbar konstant ein bis zwei Prozentpunkte besser als der Markt abschneidet, dabei aber Risiken eingeht, die sie weder kennen noch verstehen.

Buchmann: … und dann kracht es und es kommt zum Lackmustest! Ja, das ist zweifelsfrei ein Problem, auch, weil viele Investoren eine Rückspiegel-Betrachtung haben.

Klaus: Alle wollen Alpha generieren. Und Alpha entsteht aus Skill multipliziert mit Opportunity. Wenn wir einen „normalen“ Aktienfondsmanager und seine Performance analysieren und diese immer über der Peergroup oder Benchmark liegt, können wir relativ einfach sagen, dass er eine gute Arbeit geleistet hat. Das funktioniert aber bei Vola-Strategien leider nicht. Wenn Investoren wirklich kritisch auf Vola-Strategien schauen und eine Korrelation feststellen, müssten die alle direkt von der Long-List bei der Selektion gestrichen werden. Denn sie haben zu viel Abhängigkeit von dem darunterliegenden Underlying. Diese Korrelation zeigt sich nicht an allen Tagen, aber leider genau an den Tagen, an denen sie sich nicht zeigen soll. Das ist aber auf dem Papier nicht immer zu sehen.

Neidig: Nur den Track Record miteinander zu vergleichen greift zu kurz. Investoren müssen unter die Motorhaube schauen und genau analysieren!

Wünschmann: Ganz genau, die Definition der Korrelation aus dem Lehrbuch greift für Vola-Strategien zu kurz. Nur wenn man unter die Motorhaube schaut, lässt sich die Art des tatsächlich eingegangenen Risikos einer Strategie belastbar beurteilen. Transparente Risiken führen zunächst zu einer höheren klassischen Korrelation, da sie bereits bei kleineren Marktkorrekturen sichtbar werden. Problematisch sind aus unserer Sicht die verdeckten Risiken, die sich erst bei größeren Korrekturen oder hohem Marktstress zeigen, dann aber umso heftiger zu Tage treten. Aussagekräftiger ist daher die generelle Charakteristik der Strategie, wie sich ihre Wertzuwächse im Verhältnis zu den Rücksetzern verhalten.

Buchmann: Lutz Klaus liegt genau richtig: Es gibt kaum eine Assetklasse, bei der der Track Record so wenig Aussagekraft hat wie bei Volatilitätsstrategien. Denn ihre Ergebnisse hängen stark vom jeweiligen Marktumfeld und der konkreten Ausgestaltung ab – selbst Strategien mit ähnlichen Ansätzen können sich in verschiedenen Phasen völlig unterschiedlich verhalten. Rückblickende Performancedaten greifen deshalb oft zu kurz und sagen wenig über das zukünftige Verhalten in neuen Stress- oder Regimewechselphasen aus.

Sven Wünschmann von Warburg Invest: „Alle Anbieter haben ihre eigene Vola-Nische gefunden“
Sven Wünschmann von Warburg Invest: „Alle Anbieter haben ihre eigene Vola-Nische gefunden“

Pansegrau: Jein. Wer als Vola-Fonds die großen Krisen überstanden hat, hat auch einen Lackmustest bestanden. Das Problem ist: Jede Krise sieht anders aus. Wer 2020 überstanden hat, kann bei der nächsten Krise umso härter getroffen werden. Sich jedes Mal kurzfristig darauf anzupassen, was gerade passiert ist, ist auch nicht Sinn der Sache. Die Strategie muss gesamtheitlich sein und auch mit den Investoren müssen Stärken und insbesondere Schwächen der Strategie kommuniziert werden. Nur wer Komplexität verständlich macht, schafft langfristiges Vertrauen.

Habicht: Apropos Strategien. Ist das Interesse an Vola-Strategien in Deutschland gestiegen?

Wünschmann: In den vergangenen Jahren gibt es schon ein gewisses Wachstum an Anbietern von Vola-Strategien. Alle Anbieter haben ihre eigene Vola-Nische gefunden. Inzwischen haben Investoren die freie Auswahl. Das sehe ich auch nicht negativ. Denn jedes Produkt hat seine Stärke- und Schwäche-Phase, die sich teilweise sehr gut kombinieren lassen.

Pansegrau: Ich teile den Eindruck, dass es immer mehr Vola-Anbieter gibt. Aber nur weil Optionen gehandelt werden, ist es noch keine Vola-Strategie. Häufig wird auf Strategien das Label Vola draufgeklebt, weil das Beispiel des Versicherers am Kapitalmarkt immer gut bei Investoren ankommt. Diese Story lässt sich leicht bei Investoren vermarkten und verständlich anbringen. Diese Storyline wird häufig kopiert. Allerdings muss man genauer hinschauen welche Prämie denn tatsächlich vereinnahmt wird. Ist es wirklich die Volatilitätsrisikoprämie?

Habicht: Frank Neidig, Sie verwalten einen Liquid-Alternatives-Dachfonds und haben dort auch Vola-Strategien allokiert. Was erwarten Sie von diesen Strategien im Portfolio-Kontext?

Neidig: Meine Philosophie basiert auf Demut gegenüber dem Markt. Deshalb setze ich auf breite Diversifikation und baue ein breit gefächertes Portfolio aus unterschiedlichen Strategien auf – ein „Blumenstrauß“ aus Ertragsquellen. Dazu zählen auch Volatilitätsstrategien, die ich dem Segment Relative Value zuordne, welches rund 20 Prozent des Portfolios ausmacht. Dezidierte Vola-Strategien sind darin mit etwa fünf Prozent gewichtet. Long-Vola-Strategien bieten mir dabei einen gewissen Hedge gegen stark fallende Aktienmärkte. Short-Vola-Strategien bringen einen guten Absolute Return solange der Aktienmarkt nicht crasht. Die Aktienmarkt-Risikoprämie ist die stärkste Prämie, auf die man nicht verzichten kann. Sie wird vorwiegend über Long/Short-Aktienfonds abgebildet. Alle anderen Prämien spielen im Vergleich eine untergeordnete Rolle, liefern aber wertvolle Diversifikation und sind daher ebenfalls wichtiger Teil des Dachfonds.

Klaus: Ich weiß nicht, ob man per se sagen kann, dass Aktien immer eine höhere Prämie abwerfen als beispielsweise die Vola-Prämie. In den vergangenen Jahren wurden wir sehr verwöhnt an den Aktienmärkten. Aber künftig müssen auch erst einmal Aktien eine Rendite von fünf Prozent pro Jahr erzielen. Viele Vola-Strategien sind so aufgesetzt, dass sie Euribor +3 oder vielleicht sogar +5 Prozent generieren sollten. Das sollte ein guter Vola-Manager schaffen.

Klaus: Über die absolute Rendite muss nicht zwingend diskutiert werden. Denn durch gewisse Hebel können sowohl Risiko als auch Rendite je nach Risikoprofil gesteigert werden – zumindest im UCITS-Rahmen. Der Fokus sollte auf der risikoadjustierten Rendite liegen.

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