Tim Habicht: Ist es aktuell eine Renaissance für Volatilitäts-Strategien, weil sich das Marktumfeld verbessert hat? Was haben Vola-Manager vielleicht aus dem Krisenjahr 2020 gelernt, als einige Vola-Strategien liquidiert werden mussten? Und warum macht eine Vola-Strategie im aktuellen Umfeld überhaupt Sinn?
Carsten Hermann: Für mich ist es keine Renaissance – denn der strukturelle Charakter der Möglichkeit, Optionsprämie zu vereinnahmen, ist über die vergangenen Jahre, das letzte Jahrzehnt eigentlich, recht konstant geblieben. Entscheidend ist das hinter einer Optionsstrategie liegende Risikomanagement. Dort hat die Strategie aus unserem Haus gezeigt, dass wir auch Extremphasen abfedern konnten. Dies war für uns ein weiterer Beweis dafür, dass unser Risikomanagement greift und funktioniert.
Bernhard Brunner: Ich stimme zu, dass die Volatilitätsprämie weiterhin ein wichtiger Bestandteil für die strategische Asset Allokation eines Investors ist. Seit der Corona-Pandemie finde ich die Prämie sogar nochmal attraktiver, da die Nachfrage nach Absicherung seitdem zugenommen hat, was die Prämie zusätzlich antreibt. Allerdings sollte man selbstverständlich die Risiken durch zum Beispiel geopolitische Spannungen im Blick behalten. Ein starker Fokus auf das Risikomanagement ist deswegen weiterhin essenziell.
Alexander Raviol: Vor zehn oder 15 Jahren musste man mit Investoren elementar zur Volatilität anfangen. Da hat sich inzwischen die Wahrnehmung der Investoren verändert. Denn mittlerweile ist Volatilität als eigenständige Assetklasse etabliert. Vielleicht wurde die Assetklasse insbesondere nach 2020 infrage gestellt. Aber jede Assetklasse hat Hochs und Tiefs – und wir befinden uns in den letzten Jahren bestimmt in einer Hochphase. Eine Renaissance der Volatilität bedeutet das für mich aber nicht. Denn das würde bedeuten, dass die Assetklasse weg war und jetzt wieder entdeckt wurde. Aber die Assetklasse war nie weg, sie ist stabil, langfristig etabliert und dürfte gern noch mehr Berücksichtigung bei den Investoren finden.
Sven Wünschmann: Dem kann ich mich nur so anschließen. In einem breit aufgestellten Portfolio ist die Beimischung von Vola-Strategien aus Diversifikationsaspekten sinnvoll. Im Portfoliokontext bilden sie eine Quelle für Renditen, die weitestgehend losgelöst von den klassischen Renditequellen wie Aktien oder Rentenpapieren sind. Es ist in dem Sinne eine Renaissance, weil man die Renditequelle der Vola-Strategien mittlerweile richtig einordnet. Investoren verstehen sie als Prämie, die zusätzlich zum kurzfristigen Zinssatz vereinnahmt wird und nicht mehr als Ersatz für Rentenpapiere, die in der Niedrigzinsphase unattraktiv erschienen. Durch den gestiegenen Zins können Fonds, die eine Vola-Strategie verfolgen, im aktuellen Umfeld sogar besonders attraktive Gesamtrenditen erwirtschaften. Als Portfoliobaustein sind sie daher so interessant wie schon lange nicht mehr.
Tom Pansegrau: Was 2020 bei einigen Vola-Strategien passiert ist, ist dem Marktumfeld geschuldet. Einige Manager haben sich dazu entschieden, auf das Risikomanagement zu verzichten und mehr Risiko zu nehmen. Aus dieser niedrigen Volatilität kam ein massiver Vola-Spike; und leider war viel Leverage im System. Fonds, die auf ihr Risikomanagement geachtet haben, die nicht nur auf dieses Tail-Risiko gesetzt haben, sind aus dieser Phase sehr gut rausgekommen. Die erfolgte Marktbereinigung zu erleben ist bedauerlich, in solchen Phasen aber leider oftmals nicht vermeidbar.
Daniel Lucke: Ich würde nicht sagen, dass wir eine Renaissance für Vola-Strategien erleben, weil es schon immer zahlreiche Vola-Strategien gab. Das Universum und die Herangehensweise haben sich aber verändert. Vielleicht können wir uns ein bisschen ans Revers heften, das Vola-Universum im deutschsprachigen Raum etwas entwickelt und das Know-how im Markt gesteigert zu haben. Als wir vor zwölf Jahren mit dem prognosefreien Managen im Vola-Segment begonnen haben. Die damals wenigen vorhandenen, waren praktisch alle noch auf Timing ausgerichtet und haben Risiken gar nicht oder diskretionär versucht zu steuern. Dies hat häufig zu „verborgenen“ Extremwertrisiken geführt – von diesen Anbietern gibt es auch heute noch welche. Unsere Strategie fußt auf den Erfahrungen des 2008er-Crashs und dem Absichern der Extremwert-Risiken. Damals war es schon offensichtlich, dass die Tail-Risiken essenziell sind, da sie existentiell für Vola-Strategien sind. Die kurzfristigen Risiken können Investoren durchhalten.
Habicht: Sie haben das Thema Risikomanagement angesprochen. Welche Strategien liegen dabei jeweils im Fokus?
Pansegrau: Außerhalb des Aktiensegments ist eine Absicherung über Long-Put-Optionen schwierig, da das Risiko nicht eindeutig auf der Downside liegt. Das liegt daran, dass Währungen und Zinsen sich relativ symmetrisch verhalten. Hier müsste man über Proxy-Hedges nachdenken. Diese sind allerdings oft nicht kostengünstig oder decken das Risiko nicht eins zu eins ab. Der Delta-Hedge und eine breite Diversifikation fängt in diesen Assetklassen schon viel ab. Ansonsten fahren wir eine klassische Strategie, wir verkaufen Strangles und lassen das Delta grundsätzlich floaten. Wir sind dabei nicht immer deltaneutral, sondern nur, wenn es gewisse Schwellen unterschreitet. Hier werden Risiken begrenzt.
Habicht: Ist der Multi-Asset-Ansatz bei 7orca aufgrund des Risikomanagements entstanden oder eher, um mehr Performance zu generieren?
Pansegrau: Der Multi-Asset-Ansatz hat mehrere Gründe. Wir haben uns verschiedene Anlageklassen angeschaut und gesehen, dass es gewisse Diversifikationseffekte gibt. Wir wollten eine Alternative zu den klassischen Aktien-Risikoprämien bieten. Zudem bieten wir als, aus unserer Sicht, einziger Asset Manager die Vereinnahmung dieser Prämien an. Bisher wird die Vereinnahmung sonst nur im Hedgefonds-Bereich oder von Investmentbanken angeboten werden. Im UCITS-Bereich in Deutschland gibt es kein anderes Multi-Asset-Angebot für die Vola-Prämie. Deswegen wollten wir unsere Strategie und die Vereinnahmung der Vola-Prämie im gesamtheitlichen Multi-Asset-Ansatz anbieten. Wir haben erkannt, dass dort eine Marktlücke vorhanden ist.
Hermann: Bei uns fängt das Risikomanagement im OptoFlex bereits beim Underlying an, was in diesem Fall der inzwischen wieder vorhandene risikolose Zins ist. Dabei entscheiden wir uns nicht für eine gewisse Duration oder wählen spezifische Unternehmensanleihen aus. Uns war von Anfang an sehr wichtig, dass keine zusätzlichen Risiken außerhalb der Optionsstrategie entstehen. In der Niedrigzinsphase war dies durchaus eine Herausforderung. Des Weiteren haben wir sehr viel in unsere IT-Infrastruktur investiert, um höchste Ausfallsicherheit und Stabilität zu gewährleisten.
Lucke: Das Risikomanagement spielt sich unserer Meinung nach auf zwei Ebenen ab: Die eine ist das operative Setup, das heißt IT, Infrastruktur und Sicherheit. Man braucht eine ausgeprägte Prozess- und Datensicherheit. Zusätzlich benötigt man Datenbanken, die State of the Art sind und Rechner mit der nötigen Geschwindigkeit sowie ein hohes Level an Digitalisierung und High-End-Portfoliomanagement-Systeme. Die zweite Ebene ist die Portfoliokonstruktion, das Risk-Management im engeren Sinne. Es ist sehr schwierig bis unmöglich zu prognostizieren, wann ein Tail-Risk-Event eintreten könnte und wie stark dieses ausfallen wird. Tail-Risks sind allerdings essenziell für unsere Strategie beziehungsweise Vola-Strategien generell, da große Markteinbrüche und Volatilitäts-Spikes Vola-Prämien-Strategien gefährden können. Anschauliche Ereignisse waren die Finanzkrise 2008, Volmageddon 2018, der Corona-Crash 2020. Zu beobachten ist ein Anstieg der Häufigkeit solcher Ereignisse. Deshalb ist es für uns elementar, ex-ante auf möglichst alle Markt-Szenarien vorberietet und dafür positioniert zu sein. So implementieren wir keine Risikoposition ohne entsprechende Hedges. Tritt ein extremer Markt-Crash ein, müssen wir diesen also weder prognostiziert haben noch Hedges zu deutlich höheren Kursen nachkaufen. Kleinere Marktkorrekturen müssen wir dabei nicht absichern, da unsere Strategie diese von alleine schnell wieder aufholen kann. Das Wertentwicklungsverhalten in solchen Phasen haben wir bei der Neuauflage unserer Empureon-Fonds sogar noch verbessern können.

Wünschmann: Das Risikomanagement besteht bei uns aus mehreren Ebenen. Es war der Dreh- und Angelpunkt, als wir im Sommer letzten Jahres das Management der Vola-Strategien übernommen hatten. Bis dahin verfolgte der Warburg Defensiv Fonds einen klassischen Ansatz, bestehend aus dem Verkauf von Put- und Call-Optionen in Verbindung mit einem dynamischen Delta-Hedging. Bei sehr schnellen und starken Marktbewegung kommt dieser Ansatz jedoch an seine Grenzen, weil das Gamma-Risiko vehement in Erscheinung tritt. Dies stellt auch eine theoretische Fundierung für das Vorhandensein der Prämie dar. Auf der ersten Ebene vermeiden wir daher konzentriertes Gamma, indem wir das Exposure über verschiedene Basiswerte, Laufzeiten und Ausübungspreise streuen. Auf der zweiten Ebene verfolgen wir eine statische Absicherungsstrategie anstelle eines dynamischen Delta-Hedges. Wir kaufen Optionen, die einerseits von außergewöhnlichen Marktbewegungen profitieren und andererseits in Korrekturphasen automatisch Delta-Risiken im Fonds abbauen, ohne manuell eingreifen zu müssen. Ganz aktuell arbeiten wir zudem an einer dritten Ebene, die von mittel- bis längerfristigen Trends profitiert und eine weitere Absicherung auch in Einzeltiteln der Aktienindizes ermöglicht. Diese fein aufeinander abgestimmte Kombination aus alternativen Renditequellen und Absicherungen stellt unser Alleinstellungsmerkmal im deutschsprachigen Raum dar.
Raviol: Wir müssen das Delta hedgen, weil wir es nicht im Portfolio haben wollen. Wir gehen dabei sehr detailliert vor. Idealerweise würde man kontinuierlich hedgen. Das geht jedoch nicht, weil es schlichtweg zu teuer wäre. Daher hedgen wir in der Regel einmal täglich, bei größeren Bewegungen am Aktienmarkt aber auch häufiger.
Brunner: Wir interpretieren die Umsetzung auch möglichst puristisch und verdienen die Volatilitätsprämie bei generell sehr geringem Aktienbeta. Beim Risikomanagement nutzen wir ebenfalls VIX-Optionen, haben aber zudem eine Komponente entwickelt, die bei größeren Aktienrenditen innerhalb eines Tages automatisch das Delta weiter reduziert. Das hilft uns, die realisierte Volatilität in so einer Stressphase zu reduzieren.
Habicht: Ist die Volatilitätsrisikoprämie wirklich unabhängig vom Aktien-Beta?
Raviol: Hier müssen wir unterscheiden zwischen kurzfristiger Korrelation und langfristiger Abhängigkeit. Klar ist zunächst, dass in einem turbulenten Umfeld, wenn Aktienmärkte kurzfristig deutlich fallen, die Volatilitätsrisikoprämie ebenfalls leidet. Aus Diversifikationssicht entscheidender ist aber, dass in der langfristigen Betrachtung die Prämie unabhängig ist. So sind beispielsweise seitwärts oder auch abwärts trendende Aktienmärkte nicht per se negativ für die Volatilitätsrisikoprämie.
Wünschmann: Konzeptionell kann die Prämie als positiver Erwartungswert in der Differenz zwischen impliziter und künftig realisierter Volatilität verstanden werden, das heißt die implizite Volatilität fällt tendenziell höher aus, als sie sich dann im folgenden Betrachtungszeitraum realisieren wird. Dieses Phänomen ist unabhängig vom Aktien-Beta und wird oftmals mit der Prämie bei Abschluss einer Versicherungspolice verglichen. Als Anreiz für die Übernahme eines Risikos zu einem fixen Betrag erwartet der Versicherungsgeber einen durchschnittlich positiven Gewinn. Vereinnahmen lässt sich die Volatilitätsrisikoprämie auf unterschiedliche Art und Weise in einem Spannungsfeld zwischen Komplexität der Implementierung, Liquidität der verwendeten Instrumente, Handelskosten und Robustheit des Aufsatzes, also wie häufig Portfolioeingriffe notwendig sind, nachdem Positionen aufgesetzt wurden. Wir fühlen uns beispielsweise mit einem einfach zugänglichen, direkten und robusten Ansatz wohl, der ausschließlich liquide und günstig zu handelnden Optionen verwendet. Die grundlegende Charakteristik der Strategie wird durch das Alpha zum Markt geprägt, nicht durch einen verbleibenden Anteil an Aktien-Beta.
Hermann: Bei einer puristischen Herangehensweise resultiert das Aktien-Beta tatsächlich aus dem Portfolio beziehungsweise der Strategie. Wenn ich definitiv kein Aktienrisiko in meiner Vola-Strategie haben möchte, dann kann ich das Delta hedgen. Dies wäre dann aber eine andere Form der Strategie beziehungsweise ein anderer Ansatz mit entsprechend anderer Rendite/Risiko Charakteristika. Dieser muss nicht besser oder schlechter sein. Wenn ich nicht das Delta hedge, dann habe ich etwas mehr Abhängigkeit von der Entwicklung des Aktienmarktes. Aber andererseits bietet das natürlich auch Chancen.
Brunner: Bei kurzfristigen Marktverwerfungen leiden die Aktien- und die Volatilitätsprämie natürlich beide darunter. Unsere Philosophie bei der Umsetzung ist es daher, neben einem stringenten Risikomanagement die Prämie so zu verdienen, dass wir möglichst wenig Aktienbeta in allen übrigen Marktphasen haben. Damit haben wir durch unsere puristische Umsetzung auch in einem anhaltenden Bärenmarkt die Chance auf eine positive Rendite durch die Volatilitätsrisikoprämie.
Lucke: Volaprämie, also der Zeitwert der Optionen, die man aus dem Aktienmarkt schöpft, weist eine bedingte, kurzfristige Marktabhängigkeit auf. Wenn der Markt steigt, ist sie positiv – hier möchte man aber auch eine positive Abhängigkeit haben, wenn der Markt stark fällt, da dann die aus dem Geld verkauften Put-Optionen ins Geld laufen können, wäre diese Abhängigkeit nachteilig und deshalb ist der Kern unseres Ansatzes, diese zu vermeiden. Bei Seitwärtsmärkten oder leicht fallenden Kursen ist die Abhängigkeit gering beziehungsweise nur sehr kurzfristig, weil dann die Put-Option nicht ins Geld läuft und man die Prämie vereinnahmen kann. Volatility One erzielt also positive Renditen, wenn der Markt steigt, sich seitwärts bewegt, leicht fällt. Auch bei extremen Crashes am Aktienmarkt haben wir gezeigt, dass unser Ansatz sich unkorreliert zum Aktienmarkt verhalten kann. So haben wir im Corona-Crash im März 2020 deutlich positive Renditen erzielt, obwohl der Markt einen seiner negativsten Monate hatte. Dies ist das Resultat unseres disziplinierten und prognosefreien Managements und Einsatzes von Absicherungen.
Habicht: Die Zinsen sind jetzt zurück und viele Vola-Fonds haben kurzlaufende Anleihen als Collateral. Ist es eine Option, die Laufzeiten der Anleihen zu erhöhen und entsprechend mehr Rendite dadurch zu generieren?
Raviol: Wir steuern die Duration nicht aktiv und halten sie dabei sehr kurz. Egal wie stark meine Meinung ist, sie kann immer falsch sein. Zudem sind wir keine Anleihe-Manager. Wir wollen die Vola-Prämie so puristisch wie möglich vereinnahmen und kommunizieren auch genau das mit unseren Investoren.
Hermann: Das würde auch die Idee von der Prämien-Vereinnahmung konterkarieren. Wir gehen ebenfalls keine Kredit- oder Laufzeit-Risiken ein, auch wenn dies zurzeit verlockend sein könnte.
Wünschmann: Es gibt zweifelsfrei Anleihe-Spezialisten, die durch aktive Steuerung der Duration einen Mehrwert in einem Rentenportfolio generieren. Bei unserem Ansatz besteht das Basisinvestment jedoch aus kurzlaufenden und liquiden Anleihen. Sie dienen als Sicherheiten, um damit die Optionsstrategie zu implementieren. Im Fonds besteht also eine klare Arbeitsteilung. Die Anleihen bilden den Liquiditätspool, der die Aufgabe hat, den kurzfristigen Zins in der Benchmark zu generieren (3M Euribor). Für den Investor entsteht der Mehrwert unserer Lösung dezidiert aus der Optionsstrategie, die die Volatilitätsrisikoprämie vereinnahmt. Wir vermeiden eine Vermengung mit Durationsrisiken, damit der Investor den Fonds eindeutig in seinem Portfolio verorten kann. Zudem ist die Zinskurve derzeit invertiert, wodurch die Zinserträge für kürzere Laufzeiten höher sind.
Brunner: Ein gutes Beispiel im Hinblick dessen ist die vergangene Euro-Krise. Hätte man damals griechische Staatsanleihen in seinem Portfolio allokiert, wären die negativen Auswirkungen substantiell gewesen. Natürlich profitieren wir durch das Collateral ebenfalls vom jeweiligen Zins-Niveau. Aber auch wir gehen hier keine aktiven Risiken ein.
Lucke: Wir fokussieren uns auf die Vereinnahmung der Vola-Prämie. Die Anleihen in unserem Basisportfolio dienen primär der Sicherheitenstellung an der Börse und sollen Erträge liefern, ohne einen signifikanten Einfluss auf das Wertentwicklungsverhalten zu haben. Daher halten wir dort das Rating sehr hoch und die Duration sehr kurz. Nur so können wir für unsere Investoren ein klares und puristisches Wertentwicklungsprofil liefern.
Pansegrau: Zumal teilweise die Investoren dann möglicherweise genauso gut im Anleihebereich informiert sind, wie wir. Eine Diskussion mit unseren Investoren über unser Basis-Investment beziehungsweise unseren Bond Floor ist aber für beide Seiten nicht zielführend. Das Basis-Investment darf nicht zur Diskussion stehen und entsprechend fahren auch wir eine kurze Duration mit Staatsanleihen und Anleihen hervorragender Bonität.
Habicht: Was ist der zentrale Aspekt beim Risikomanagement und was passiert, wenn der S&P morgen zehn Prozent im Minus öffnet?

Lucke: Wie genau die Wertentwicklung in einem solchen Szenario ausfalle, können wir nur unter Annahme einiger Parameter simulieren. Wir würden erwarten, dass in einem solchen Marktszenario unsere Absicherungen starke Wertbeiträge liefern und Volatility One stabilisieren. So wie wir es im Corona-Crash gezeigt haben. Tendenziell ist für unsere Strategie ein Markteinbruch von zehn oder gar 20 Prozent an einem Tag sogar vorteilhafter als über zwei oder drei Monate. Das Essenzielle und Elementare ist, dass die Strategie alle existentiellen Risiken überstehen kann, das heißt insbesondere Tail-Risiken. Das ist das Wichtigste, damit die Investoren langfristig an der Prämie partizipieren können.
Pansegrau: Bei uns ist es natürlich noch ein bisschen schwieriger, weil Korrelationen zu anderen Assetklassen bestehen. Wenn der S&P zehn Prozent innerhalb kürzester Zeit verlieren sollte, wären wir trotz grundsätzlicher Sicherung wahrscheinlich bei fünf bis sechs Prozent im Minus anfänglich mit dabei. Eine solche kurze Verlustphase ist produktimmanent, was wir auch transparent an die Investoren kommunizieren. Bei größeren Drawdowns greift unser Absicherungsmechanismus. Die Volatilität in dem Markt mit kleineren und mittleren Drawdowns gehört üblicherweise zu dem Produktlebenszyklus. Darauf begründet sich eine langfristige positive Volatilitätsprämie. Der wesentliche Faktor und Mehrwert unseres Produktes ist dabei genau dieses Risikomanagement für stärkere Drawdowns.
Habicht: Damit der Fahrstuhl nicht direkt wieder ins Erdgeschoss fährt ...
Pansegrau: Richtig. Der Fahrstuhl nach unten muss irgendwann ausgebremst werden. Ein Drawdown von unter zehn Prozent gehört, wie erwähnt, zu den üblichen Marktsituationen und ist unter dem Gesichtspunkt der Kosteneffizienz üblicherweise nicht ausschlaggebend für die Gesamtperformance.
Wünschmann: Unser Ziel ist es, langfristig das Vertrauen unserer Investoren zu verdienen und ihnen klar darzulegen, was sie von der Strategie zu erwarten haben. Rendite durch das Eingehen von expliziten Tail-Risiken zu erwirtschaften, ist für uns ein No-Go. Im Gegenteil, wir setzen auf volle Transparenz und geben der Strategie die notwendige Bandbreite, in der sie „atmen“ kann. Das spiegelt sich in der realisierten Volatilität der Strategie bei kleineren und zu erwartenden Korrekturen in den Basiswerten wider. Zentral für den langfristigen Anlageerfolg in einer Vola-Strategie ist jedoch effizientes Tail-Risk-Management. Wir sichern unser gesamtes Risiko gegenüber außergewöhnlichen Marktverwerfungen ökonomisch effizient ab. Damit schwimmen wir gegen den Strom: Wir gehen gezielt Risiken in dem Bereich von kleinen und mittleren Rücksetzern ein, gegen die sich viele andere Marktteilnehmer absichern möchten. Gleichzeitig versichern wir uns allerdings gegen schmerzhafte Verluste, die von vielen Akteuren ausgeblendet werden. Von diesem konträren Ansatz erwarten wir ein langfristig attraktives Chancen- / Risiko-Verhältnis. Bei signifikanten Rücksetzern in den Basiswerten greift das Risikomanagement derart, dass sich diese etwa zur Hälfte auf den Fonds niederschlagen. Dabei kommt es darauf an, wie schnell der Markt korrigiert, wie gleichförmig sich die abgedeckten Regionen verhalten und was mit den impliziten Volatilitäten an den Optionsmärkten passiert.
Raviol: Das Tail-Risiko ist bei uns natürlich auch der zentrale Aspekt. Wobei wir auch schon auf den Aktienmarkt schauen und Stress-Szenarien von –10 und mehr Prozent sowie die dazu passende Volatilität modellieren. Wenn unser Drawdown größer ist als der des Aktienmarktes, wird es schwierig in der Kommunikation mit unseren Investoren.
Brunner: Für uns hat Risikomanagement die höchste Bedeutung. Aus eigener Erfahrung macht es ein Riesenunterschied, ob man nur im Backtest rechnet, wie viel man theoretisch mit seiner Strategie verloren hätte oder ob man selbst zu der Zeit investiert war. Das ist eine extrem wertvolle Erfahrung. Denn innerhalb eines Krisentages werden teilweise auch andere Entscheidungen getroffen, als ein Backtest modellieren kann. Wir investieren in die Volatilitätsrisikoprämie bereits seit 2007 und lassen die Erkenntnisse aus den vergangenen Krisen in unsere Entscheidungen einfließen, was uns vor allem im Risikomanagement enorm hilft.
Hermann: Das korrespondierende Element ist bei uns sehr wichtig. Damit ist gemeint, dass man dem eingegangenen Risiko die entsprechenden Absicherungen stringent gegenüberstellt. Für uns ist der entscheidende Faktor, dass wir über diese korrespondierenden Gegenpositionen verfügen und bereits im Vorfeld dafür gesorgt haben, für alle Marktszenarien möglichst stabil positioniert zu sein.