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Schweizer Taschenmesser und Fels in der Brandung: Feiern Mischfonds ein Revival?

Führende Mischfonds-Manager diskutieren beim Multi Asset Day 2025 unter anderem darüber, was gute Multi-Asset-Fonds auszeichnet, wie die Portfolios in einem aktuell herausfordernden Marktumfeld gesteuert werden und ob es derzeit eine KI-Blase gibt. Sind Multi-Asset-Fonds weiterhin das Schweizer Taschenmesser der Investment-Branche?

Autor
Henriette Schulte

Tim Habicht: Warum setzen Sie auf Multi Asset? Was zeichnet gute Multi-Asset-Fonds aus? Was sollte man als Multi-Asset-Manager nicht machen?

Johannes Hesche: Man sollte ein ausgewogenes Chance-Risiko-Verhältnis im Portfolio aufbauen. So können auch Anleger, die nicht sehr kapitalmarktaffin sind, ihr Geld gezielt investieren, anstatt es nur auf dem Sparbuch liegen zu lassen. Ein Multi-Asset-Portfolio kann den Einstieg in die Kapitalmärkte erleichtern.

Moritz Rehmann: Ich sehe Multi Asset als eine Art Schweizer Taschenmesser. Es ist oft das Einsteigerprodukt, das mehrere Dienstleistungen aus einer Hand bietet. Anleger erhalten nicht nur eine sorgfältige Aktienauswahl, sondern auch eine strukturierte Allokation der Quoten, wodurch ein Produkt entsteht, das über den gesamten Marktzyklus hinweg funktionieren kann. Gerade jetzt, angesichts brechender Korrelationen und geopolitischer Strömungen, sind sowohl die Auswahl der Assetklassen als auch der einzelnen Aktien entscheidend für den Mehrwert.

Marcus Zasada: Für mich ist Multi Asset der Schlüssel für jeden Investor, um Vermögen stabil in die nächste Generation zu überführen. Normalerweise ist dafür eine Vermögensverwaltung erforderlich, die oft nur für große Vermögen zugänglich ist. Multi-Asset-Fonds ermöglichen jedoch auch kleineren Vermögen den Zugang zu hochwertiger und nachgewiesen guter Qualität. Das macht diesen Bereich zu einem Wachstumsfeld für Investmentgesellschaften.

Alexander Kapfer: Wir haben nur einen Fonds und haben uns bewusst für den Multi-Asset-Ansatz entschieden, da wir hier unsere Expertise am besten einbringen können. Die Idee war immer, ein privates Depot in größerem Maßstab zu managen und unsere Erfahrung zu übertragen. Für uns und unsere Investoren ist daher Flexibilität entscheidend. Sie schätzen unsere Meinung und möchten, dass wir diese Flexibilität nutzen können. Genau diese Flexibilität des Multi-Asset-Managements sehe ich als große Chance.

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Die Teilnehmer:
  • Johannes Hesche, ACATIS
  • Marcus Stahlhacke, Allianz Global Investors
  • Moritz Rehmann, DJE Kapital
  • Marcus Zasada, FERI
  • Nicolai Austein, Metzler Asset Management
  • Alexander Kapfer, SQUAD Fonds
  • Tim Habicht, Fundview

Marcus Stahlhacke: Multi-Asset-Fonds bieten Anlegern die Möglichkeit, für das gegebene Risiko die maximale Rendite zu erzielen, wenn das Management gut arbeitet. Dabei können Diversifikation, Flexibilität und Opportunitäten optimal genutzt werden, wobei sich die Attraktivität einzelner Anlageklassen im Zeitverlauf verändern kann. Letztlich geht es darum, den Kundennutzen für das eingegangene Risiko zu maximieren – und das gelingt aus meiner Sicht keinem anderen Produkt in der Finanzbranche so gut wie bei Multi-Asset-Fonds.

Nicolai Austein: Für mich sind Multi-Asset-Produkte der Fels in der Brandung, sowohl für private als auch für institutionelle Investoren. Sie helfen, die größten Fehler beim Investieren zu vermeiden, insbesondere emotionale Fehlentscheidungen in turbulenten Marktphasen. Gute Multi-Asset-Fonds erfordern Disziplin und ein klares Konzept. Schlechte Produkte versprechen oft zu viel, etwa die „eierlegende Wollmilchsau“. Historisch hat sich gezeigt, dass es besser ist, das Produkt einfach zu halten und nur in das zu investieren, was man selbst versteht.

Habicht: Wir sind uns alle einig, dass Flexibilität Trumpf ist. Aber wie steuern Sie die Quoten im Portfolio konkret?

Stahlhacke: Entscheidend ist zunächst, zu verstehen, woher die Signale für die Steuerung der Quoten stammen. Wir betrachten langfristige Return- und Risikoannahmen als Ausgangspunkt, beziehen aber auch kurzfristige Entwicklungen mit ein. Im Asset Management gibt es außerdem immer eine Zufallskomponente, so ehrlich müssen wir als Fondsmanager sein. Deshalb müssen wir auch negative Szenarien berücksichtigen. Unser Ansatz besteht darin, ein Portfolio auf Basis langfristiger Annahmen zu konstruieren, das solide performen sollte und dann taktisch innerhalb bestimmter Rahmen abzuweichen. Diese Abweichungen können bei Aktien durchaus 30 bis 40 Prozent betragen; auf der Rentenseite waren wir 2022 teilweise sogar mit negativer Duration unterwegs. Entscheidend ist, dass wir die Zusammenstellung des Portfolios und der jeweiligen Quoten verstehen, die Wirksamkeit jeder Beimischung kennen und ein ausgewogenes Chance-Risiko-Verhältnis sicherstellen.

Marcus Stahlhacke von Allianz Global Investors: „Entscheidend ist, dass wir die Zusammenstellung des Portfolios verstehen“
Marcus Stahlhacke von Allianz Global Investors: „Entscheidend ist, dass wir die Zusammenstellung des Portfolios verstehen“

Hesche: Für uns ist das Risiko-Rendite-Verhältnis der zentrale Punkt. Jede Investition wird als Einzelfall analysiert, denn wir kommen in unserem Multi-Asset-Fonds stark von der Bottom-up-Analyse und sind eher keine Makro-Manager. Wir führen deswegen Szenarioanalysen durch: Was passiert im besten und schlechtesten Fall? Diese Szenarien werden mit Wahrscheinlichkeiten versehen, daraus ergibt sich eine erwartete Sharpe Ratio. Investiert wird nur, wenn diese Erwartung positiv ist. So können wir auch in speziellen Anleihen Chancen wahrnehmen, selbst wenn andere Assets weniger attraktiv erscheinen.

Austein: Wir arbeiten nicht mit Quoten von null bis 100 Prozent, da dies unrealistische Versprechen wären. Stattdessen nutzen wir Bandbreiten von zum Beispiel etwa 35 bis 70 Prozent bei Aktien. Indikatoren aus Makro-, Mikro- und technischen Daten schaffen Orientierung und disziplinieren den Entscheidungsprozess, insbesondere in volatilen Phasen. So behalten wir die Kontrolle, auch wenn die Marktbewegungen stark sind.

Stahlhacke: Die jeweiligen Risikoprofile spiegeln den Kundennutzen wider. Es gibt konservative und offensive Anleger, daher sollen die Profile individuelle Präferenzen berücksichtigen. Wir kombinieren quantitative Modelle mit fundamentalen Ansätzen, um Prognosen zu stabilisieren. Dadurch können wir begründet stark abweichen und moderates Leverage einsetzen, ohne die Stabilität des Portfolios zu gefährden. Diese Flexibilität erlaubt es uns, in Phasen niedriger Volatilität Chancen zu nutzen und in unsicheren Zeiten defensiv zu agieren.

Rehmann: Anleger sollten ein Verständnis dafür haben, in welchen Bandbreiten sich die Quoten in den jeweiligen Mischfonds bewegen. Innerhalb unseres Portfolios werden Aktien stark bottom-up gesteuert, basierend auf einem systematischen Scoring-Modell. Anleihen dienen in erster Linie der Renditeerzielung und nicht nur der Diversifikation. Edelmetalle wiederum fungieren als Stabilitätsanker, insbesondere in geopolitisch volatilen Phasen. Diese Bandbreiten machen deutlich, dass es nicht um absolute 0- oder 100-Prozent-Positionen geht, sondern um ein stabiles Gesamtrisikoprofil, das wir als Investoren immer im Blick haben müssen.

Stahlhacke: Wir kommunizieren diese Bandbreiten aktiv an die Kunden. In ruhigen Marktphasen kann die Quote hoch sein, ohne dass das Risiko unkontrolliert wird. Niedrige Quoten in stressigen Phasen dienen dem Schutz und der Stabilität des Portfolios. So können Anleger die Strategie nachvollziehen und Vertrauen in die Portfolioentscheidungen entwickeln.

Zasada: In makroorientierten Top-Down-Portfolios ist die Quotensteuerung zentral. Innerhalb der Assetklassen konzentrieren wir uns auf die richtigen Elemente, um Chancen und Risiken auszugleichen. Auch wenn das Aktienjahr schwierig ist, kann ein dynamisches Portfolio durch gezielte Selektion der einzelnen Aktien Erträge erzielen. Wir arbeiten innerhalb von Bandbreiten, passen diese aber taktisch an, um langfristiges Wachstum und stabile Erträge zu gewährleisten.

Marcus Zasada von FERI: „In makroorientierten Top-Down-Portfolios ist die Quotensteuerung zentral“
Marcus Zasada von FERI: „In makroorientierten Top-Down-Portfolios ist die Quotensteuerung zentral“

Kapfer: Es ist entscheidend, die realen Signale einer Assetklasse von den Narrativen zu unterscheiden. Gold beispielsweise wurde in den letzten Jahren stark durch geopolitische und politische Faktoren getrieben. Diese Faktoren erfordern Freiheit und Flexibilität in der Quotensteuerung, da kurzfristige Treiber nicht immer den langfristigen Fundamentaldaten entsprechen. Historische Strukturbrüche wie die Finanzkrise 2008 oder die Dotcom-Blase zeigen, wie wichtig es ist, die Zusammenhänge zu verstehen und entsprechend flexibel zu agieren.

Habicht: Diskutiert werden aktuell viel über hochbewertete KI-Titel und eine mögliche Wiederholung der Dotcom-Blase. Gibt es Ihrer Meinung nach aktuell eine KI-Blase?

Stahlhacke: Ich würde nicht eindeutig „Ja“ sagen, aber wir bewegen uns aktuell schon bei sehr hohen Bewertungen und viel ist bereits in diese positive Bewegung eingepreist. Die Investitionen, die wir aktuell sehen, bergen einen hohen Erwartungswert an die jeweiligen Unternehmen. Wir erwarten, dass sich diese Ausgaben langfristig lohnen könnten, mittelfristig jedoch Enttäuschungen möglich sind. Trotz hoher Bewertungen ist das Narrativ rund um KI nach wie vor präsent, und die jüngste Earnings Season war überwiegend positiv. Ein vorschnelles Aussteigen wäre daher verfrüht – solange die Musik spielt, bleibt das Thema relevant.

Kapfer: Man kann die Situation ein wenig mit früheren Telekommunikationswerten vergleichen. Der entscheidende Unterschied: Aktuell finanzieren Unternehmen wie Microsoft oder Alphabet ihre KI-Investitionen größtenteils aus eigenen Cashflows. Erst später könnte Fremdkapital nötig werden. Auch Amazon hat in der Vergangenheit massiv investiert, ohne, dass diese Investments sofort Gewinne generierten. Derzeit ist das Risiko überschaubar, da die großen Tech-Unternehmen solide Cashflows haben und ihre Investitionen langfristig historisch bewährt sind.

Hesche: Trotz des Gefühls „it looks like a bubble, it walks like a bubble“ zeigen aktuelle Zahlen noch keinen Bruchpunkt. Umsatzwachstum und Profitabilität bleiben hoch. Die KI ermöglicht erhebliche Effizienzgewinne, etwa durch die Automatisierung von Arbeitsprozessen, wie Amazon oder Alphabet eindrucksvoll zeigen. Allein durch KI-gestützte Code Reviews werden Stunden an Entwicklerarbeit eingespart. Das reduziert die Kosten und stärkt die Margen.

Kapfer: Alphabet berichtet, dass mittlerweile 50 Prozent ihres Codes von der KI erstellt wird. Das spart Kosten und beeinflusst den Arbeitsmarkt. Die Frage ist, was das für die Profitabilität der LLM-Modelle wie ChatGPT bedeutet? Hier erhöht ein zusätzlicher Nutzer erst einmal nur die Kosten und nicht – im Gegensatz zu den Netzwerkeffekten des Web 2.0 – automatisch den Wert des Unternehmens.

Johannes Hesche von ACATIS: „Für mich ist es noch nicht der Punkt, an dem man von einer kompletten Blase sprechen müsste“
Johannes Hesche von ACATIS: „Für mich ist es noch nicht der Punkt, an dem man von einer kompletten Blase sprechen müsste“

Hesche: Die Einsparungen durch KI auf der Personalseite sind erheblich. Viele White-Collar-Jobs werden nicht mehr durch neue Mitarbeitende besetzt, sondern durch KI wie ChatGPT erledigt. Dadurch lassen sich Kosten senken und gleichzeitig Umsätze bei Anbietern wie OpenAI oder Alphabet generieren. Die hohen Software-Returns wirken blasenähnlich, doch ein zusätzlicher Nutzer generiert keine extremen Margen. Für mich ist es noch nicht der Punkt, an dem man von einer kompletten Blase sprechen müsste.

Stahlhacke: Die entscheidende Frage ist, wer letztlich profitiert: die KI-Anbieter oder die Nutzer? Wenn sich KI-Produkte zu einer Commodity entwickeln – also zu einer leicht verfügbaren, standardisierten Technologie, die von vielen Anbietern in ähnlicher Qualität bereitgestellt wird –, dann könnten künftig vor allem klassische Unternehmen, die diese KI einsetzen, die eigentlichen Gewinner sein. Hochbewertete Anbieter von KI könnten indes möglicherweise nicht die erwarteten Erträge erzielen.

Kapfer: Bei Alphabet zeigt sich ein Spannungsfeld: Der Bereich Search bei Google wächst, wobei die Nutzerzahlen leicht zurückgehen. Das Wachstum in diesem Segment wird im Moment über Preisanpassungen oder einen Anstieg der Werbung (YouTube) erzielt. Das kann aber auch nur eine bestimmte Zeit so fortgesetzt werden. Und danach wird es spannend.

Austein: Timing ist fast unmöglich. Unternehmen investieren teilweise gegenseitig ineinander und der US-amerikanische Staat ist ebenfalls involviert, was Risiken einerseits etwas mindert. Nicht alle Unternehmen werden allerdings andererseits profitieren und soziale Aspekte spielen zunehmend eine Rolle: KI dürfte in einigen Branchen Arbeitsplätze verdrängen, wodurch die gesellschaftliche Akzeptanz relevant wird.

Rehmann: Die ersten Anzeichen dafür sind bereits sichtbar: Junior-Stellen in Tech-Konzerne werden weniger ausgeschrieben, während der Basiskonsum und andere Wirtschaftszweige noch keine Erholung zeigen. Die Marktbreite ist eingeschränkt; High-Value-Tech profitiert zunächst, während andere Unternehmen hinterherhinken. Das deutet auf selektiv hohe Bewertungen hin, aber nicht auf eine flächendeckende Blase. Eine Rotation zu Unternehmen, die Kosteneinsparungen realisieren, ist wahrscheinlich.

Zasada: Wir sehen weiterhin hohe Innovations- und Wachstumsstärke der US-Wirtschaft, der allerdings Bewertungsrisiken und anhaltend disruptive Politikelemente der US-Regierung gegenüberstehen. Unsere grundsätzlich konstruktive Ausrichtung sieht weiterhin eine sachwertorientierte Asset Allocation mit Fokus auf Resilienz unter Nutzung aller neun Anlageklassen sowie ein aktives Risikomanagement vor.

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